
Sicherheit war für Kevin Peters (Full Send Racing) die Mutter der Porzellankiste für den Silverstone Grand Prix. Dieses Motto setzte er konsequent um und erntete danach viel Kritik. Indes bewies Jannis Wollborn (Newman Racing) wieder gottähnliche Fertigkeiten im Regen und hält so den WM-Kampf für die letzten Rennen weiter offen.
Die Qualifikation beim Großen Preis von Großbritannien wurde bereits überschattet von dunklen Regenwolken. Nach den nassen Trainings lag zu Beginn des Qualifying bereits etwas Wasser auf der Strecke. Das sorgte dafür, dass die ersten Piloten bereits mit einem Nachteil in die Session starteten, denn in der Folge trocknete die Strecke weiter ab. Das kam besonders den WM-Kandidaten entgegen, welche größtenteils in der Mitte des Starterfeldes und hintereinander starteten. So kam es, dass letztlich Tim Brendel (Full Send Racing) die besten Bedingungen auf der Strecke erwischte. Zuvor hatte sich bereits Teamkollege Kevin Peters vor Jannis Wollborn und Sven Schubert (Volksmobil) geschoben. Brendel unterbot die gesetzte Rundenzeit deutlich und auf dem Weg zurück zur Box begann der Regen wieder einzusetzen. So tat sich anschließend in der Qualifikation nichts mehr an der Spitze. Brendel sicherte sich so seine sechste Pole der laufenden Saison und schlug abermals den Teamkollegen. Dennoch konnte sich FSR so die erste Startreihe komplett sichern. Erste Verfolger waren Jannis Wollborn und Sven Schubert. Zu den Verlierern dieser Wetterlotterie waren unter anderem die zuletzt fahrenden Piloten Aleksandr Knezevic (Newman Racing) und Bastian Paisler (OMD), welche von sechzehn und fünfzehn in das Rennen starten mussten. Als eine der größten Überraschungen entpuppte sich Patrick Newman der den Speedster dank günstiger Bedingungen auf den 8. Startplatz setzte.

So herrschten zu Beginn des Rennens wieder nasse Bedingungen auf der Strecke, allerdings ohne dass es regnete. Aus diesem Grund entschied sich das komplette Feld zum Start für die Regenreifen. Die beiden FSR Piloten erlebten einen ungünstigen Auftakt und wurden beide in den ersten Kurven von Jannis Wollborn überholt, welcher die Führung übernahm und sich direkt absetzte. Dahinter sicherte sich Schubert durch ein Manöver vorerst Rang drei gegen Kevin Peters. Weiter hinten verlief die Startphase weniger glimpflich. Nach einer Kollision zwischen Pascal Pohlenz (Clipper) und Daniel Bentenrieder (Saldo) drehte sich der Saldo Pilot quer auf die Fahrbahn. In der Folge liefen mehrere Autos auf, wobei Patrick Newman als großer Verlierer hervorging. In dem Chaos aus Autos und Gischt fuhr der VFC Legende der OMD Pilot Bastian Paisler auf. Newman verlor so seinen Heckflügel und damit den Anschluss zum Feld. In der Folge stellte der Speedster Pilot dann seinen Wagen ab. Ein ärgerliches Resultat nach der starken Qualifikation. Pohlenz erhielt für das Verursachen der Situation im Anschluss eine Durchfahrtsstrafe.

Der chaotische Start warf das ohnehin bunte Feld noch mehr durcheinander. Der Bosnier Knezevic machte bereits nach der ersten Runde einen Platzsprung bis auf Rang acht. Andere wie Marc Schlüter (Volksmobil), welcher durch seine Belgien Strafe von hinten starten musste, hingen aber weiterhin fest und mussten sich erst einmal Stück für Stück nach vorne arbeiten. Ein kurioses Bild gab auch das Cliffort Team ab, welches nach der 1. Runde mit allen drei Fahrzeugen auf den Plätzen fünf bis sieben fuhr.
Doch diese Reihenfolge hielt nicht lange. Aleksandr Knezevic flog heran und schnappte sich einen Cliffort Fahrer nach dem anderen. So fand sich der Bosnier schnell auf Rang fünf wieder und begann die Aufholjagd gegen den vor ihm fahrenden Kevin Peters. Im Laufe der kommenden Runden hielten die vorderen Piloten auch auf Grund der starken Gischt einen gewissen Sicherheitsabstand. Dennoch trocknete der Kurs nach und nach ab, so dass in der 10. Runde Tim Brendel als erster zum Stopp kam und sich Trockenreifen abholte. Einen Vorteil konnte der Deutsche daraus allerdings erst einmal nicht ziehen, denn er fiel zurück in das verkehrsreiche Mittelfeld. Trotzdem folgten die andern Piloten nach und nach seinem Beispiel. Profiteur war dabei vor allem Sven Schubert, der durch den späteren Boxenstopp vorerst vorbei ging und Rang zwei für sich einnahm.

In Runde zwölf erlebte derweil Alexander Kraft (Cliffort) seine große Schrecksekunde. Der schon in den letzten Wochen durch die Technik geplagte Pilot erlebte einen Lenkradausfall und crashte mit der Mauer. Kraft stellte aber nicht ab und setzte nach einer Reparatur sein Rennen fort. Die verlorene Zeit sollte er allerdings nicht wieder gut machen. Ein weiterer ärgerlicher Abend für Alexander Kraft. Trotz abtrocknender Strecke wechselten aber nicht alle Piloten auf Trockene Gummis. Unter anderem Pascal Pohlenz setzte auf Risiko und wurde belohnt. Der Clipper Pilot war plötzlich auf Rang sechs unterwegs, als sich wieder große Regenwolken dem Kurs näherten. In dieser Phase hatte auch Knezevic schließlich sein Ziel erreicht und setzte zum erfolgreichen Überholmanöver gegen Kevin Peters an. Dabei zeigte der WM-Führende keine Gegenwehr und fiel auf Rang fünf zurück.
Weiter hinten wurde Marc Schlüter (Volksmobil) immer mehr zum neuerlichen Pechvogel des Abends. Erst konnte er dem auf der Strecke stehenden Cooper McAllister (Cliffort) noch ausweichen, ehe er selbst Fehler beging und sich beim Anfahren der Boxengasse zweimal drehte. Auch Daniel Bentenrieder wurde zum Opfer des neuerlichen Regens als er den Saldo versuchte von der Wiese auf die Strecke zurückzusteuern. Dabei ging Bentenrieder weiter wichtige Zeit verloren was die Aussicht auf die Punkte weiterhin unmöglich machte.
Kevin Peters indessen setzte seine Sicherheitsstrategie weiter konsequent um und wechselte als erster im vorderen Feld zurück auf die Regenreifen.
Zu diesem Zeitpunkt deutete sich auch wieder die Stärke des Schweizers Luca Zorn an der mit etwas Abstand auf die Konkurrenz den sechsten Rang bekleidete. Eine starke Leistung im unter trockenen Bedingungen unterlegenen Saldo. Etwas weiter vorne unterlief derweil Knezevic ein Fehler beim Ausfahren der Boxengasse und so erhielt der Bosnier für das überfahren der Boxenlinie eine Durchfahrtsstrafe die ihn zeitweise zurück warf.

Dadurch konnte sich der nach dem ersten Stopp zurückgefallene Tim Brendel wieder Hoffnungen auf einen Podestplatz machen. Dieser war einer der wenigen, welche in dieser Phase einfach neue Trockenreifen aufzogen statt auf eine weiterhin feuchte Strecke zu setzen. Brendels Pokerspiel sollte sich auszahlen, denn in ab Runde 19 verging der Regenschauer wieder und der Kurs begann abermals abzutrocknen.
Eine Aufholjagd begann in welcher Brendel massiv an Boden gewann. Zudem mussten die Konkurrenten wieder einmal auf die Trockenreifen zurückwechseln. Dadurch gelang es Brendel sowohl am Teamkollegen als auch an Aleksandr Knezevic sowie Sven Schubert vorbeizugehen. Der einzige, welcher an diesem Tag unmöglich einzuholen war, war der amtierende Weltmeister Jannis Wollborn. Mit über 25 Sekunden Vorsprung konnte dem Regengott nur ein Safety-Car den Tag verderben, was ausnahmsweise, an diesem Abend nicht geschah.
Im letzten Renndrittel hatte das Feld sich so weitestgehend sortiert. Tim Brendel behielt am Ende seinen zweiten Platz während es Aleksandr Knezevic noch gelang das Duell gegen Sven Schubert für sich zu entscheiden. Letzterer hatte wieder einmal mit technischen Problemen zu kämpfen, was zu einem Abflug und anschließender Frontflügelreparatur führte. Somit belegte Schubert am Ende den vierten Rang vor Kevin Peters, welcher seine WM-Führung zwar behielt, allerdings sieben Zähler auf Jannis Wollborn verlor und so mit nur noch vierzehn Punkten Vorsprung in die letzten drei Rennen geht.

Das sorgte im nachhinein für einigen Spott und Kritik. So gaben verschiedene Fahrer an, dass sie Zweifel hätten, ob Peters mit dieser Safetys-First Taktik am Ende wirklich Weltmeister werden würde. Hinter den Top-5 schaffte Luca Zorn indes wieder die Überraschung und stellte seinen belächelten Saldo auf den sechsten Platz. Dies war unter anderem ein Schlag ins Gesicht für das konkurrierende Cesario Team, welches im Rennen wieder nicht überzeugen konnte und einen weiteren Nuller einfuhr. Teamchef Cattivo gab nach dem Grand Prix zu Protokoll: "Klar kann man als Fahrer Dinge immer besser machen, aber wir müssen einfach auch feststellen...Unser Auto ist eine Fehlkonstruktion."
Doppelt schwer wog dabei für die Italiener, dass Pascal Pohlenz mit Rang acht weiter Punkte für das Clipper Team holte und somit den Abstand zum Traditionsrennstall auf drei Zähler verkürzte. Vor ihm fuhr Jannik Maleika im Cliffort endlich wieder ein starkes Rennen und sicherte sich Platz siebe. Im Mittelfeld biss sich Cooper McAllister die Zähne an Bastian Paisler aus, der den OMD so am Ende auf Rang neun ins Ziel brachte.

Die letzten zwei Punkteränge belegten indes Fabian Jungbluth (Speedster) und Marc Schlüter (Volksmobil), welcher trotz einiger Zwischenfälle am Ende mit einem Punkt für seine Aufholjagd belohnt. Leer ging am Ende Lorenzo de Ciutis (OMD) aus, welcher an diesem Tag nicht an die starke Leistung aus Monza anknüpfen konnte.
Somit gewinnt der WM-Kampf drei Rennen vor Saisonschluss noch einmal an Spannung. Ob Kevin Peters in Malaysia reagieren kann bleibt fraglich. Kuala Lumpur zeigt sich zu dieser Jahreszeit nämlich eher von seiner feuchten Monsun Seite.
Hier siehst du die Wiederholung des Großbritannien GP:
Autor: Julian Kopp