Abgesehen von den bisherigen Veröffentlichungen gehört der italienische Rennstall Scuderia CM Motorsport zu den Teams, welche sich in Sachen Fahrerpaarung 2022 bisher noch recht bedeckt gehalten haben. Im Juni verkündete Teamchef Gaggiano nach einer bisher eher enttäuschenden Saison die Trennung von Zweitpilot und dem langjährigen Weggefährten Alexander Rütt für 2022. Eine Entscheidung die auf Grund der bis dahin erreichten Resultate nachvollziehbar war und das Fahrerkarussell weiter drehte.

Der Italiener gab damals vor allem finanzielle Gründe für die Trennung an. Da aber Rütt gegenüber der Presse sagte, dass die Entscheidung ihm gegenüber anders kommuniziert worden war, gab es einige Irritationen rund um das Management. Lange war die neue Besetzung in der Folge weiterhin unklar. Nun verkündete Gaggiano nach seiner Rückkehr aus dem italienischen Heimaturlaub und dem wiederum verkorksten Malaysia GP eine Entscheidung für 2022.
Gut gelaunt trat der Teamchef dabei vor die Pressevertreter um über das erste feste Cockpit für 2022 sowie über seine weitere Zukunft zu sprechen: „Für 2022 haben wir das 2. Cockpit an Dominic Rustemeier vergeben. Bei SCMM geht es immer noch um Gelder, die wir in die Entwicklung des Autos stecken wollen, statt sie sinnlos in Gehältern auszugeben. Nach einer Hochrechnung wäre das mit der Fahrerpaarung Rütt-Gaggiano ncht unbedingt möglich gewesen. (…) Man muss ein bisschen schauen wo man bleibt. Wir warten aber aktuell noch auf die neuen Regelungen und Kosten für 2022. Hier kann sich auch nochmals etwas ändern. Was ich damit sagen will, grundsätzlich werde ich nächstes Jahr fahren, aber unter gewissen Umständen bin ich auch bereit meinen Platz für einen anderen Fahrer zu räumen. Natürlich muss hier die Rechnung bzgl. Autoentwicklung und Fahrergehalt aufgehen damit das Ganze einen Sinn ergibt. „

Eine durchaus überraschende Entscheidung in der Personalie Rustemeier. Dieser absolvierte im laufenden Jahr seine erste D2 Saison nachdem er 2020 sein VFC-Comeback als Ersatzfahrer für Speedster gab. Dabei blieben seine Auftritte in Spa und Monza jeweils kurze Einsätze mit verursachten Unfällen, die einigen Piloten noch im Gedächtnis geblieben sein dürften. Daher ging es mit der neuen Saison für Rustemeier erst einmal in die Division 2 für das Volksmobil-Nachwuchsteam. Die Chance auf eine gute Entwicklung und einen geordneten VFC-Einstieg 2022. Auch hier erlebte der Deutsche allerdings bisher eine durchwachsene Saison, fuhr zudem nach den ersten Grand Prixs das Trainingspensum weiter nach unten. Dabei holte er bis heute mit zwei sechsten Plätzen in Spanien und Belgien seine besten Saisonresultate und findet sich vor den letzten zwei Rennen auf Platz Zehn der Fahrer-Meisterschaft wieder. Noch hinter dem ausgestiegenen Teamkollegen und Teamchef Peter Andrews. Einen VFC-Ersatzstart absolvierte er dabei bisher im Jahr 2021 noch nicht. Was auch mit der nicht vorhandenen Ausfallquote der Fahrer bei Volksmobil zu tun hat. Ein zwischenzeitlich geplanter Gaststart für das R-cademy Team platzte kurzfristig.
So wurde Rustemeier von neutralen Beobachtern für 2022 eher ein zweites Jahr innerhalb der Nachwuchsserie gesehen anstatt in der Königsklasse der GSO. Auf Nachfrage zeigte sich Gaggiano jedoch überzeugt von seiner Entscheidung. Verweist auch auf erfolgreiche teaminterne Tests: „(…) Wir haben eine sehr günstige Alternative gesucht, wie schon bereits kommuniziert. Allerdings wollten wir auch jemanden der Potenzial hat. Dieses blitzte erstmals bei Testfahrten vor dem Jerez GP auf, als wir VM bei den Longruns beobachtet haben. Dort durfte Rustemeier das Setup von Peters abstimmen und er war erstaunlicherweise nicht weiter als 1 Sekunde weg. Für jemanden der vermeintlich – und laut anderen Personen, wenig kann, ist das eine ordentliche Leistung. Wir haben dann noch private Tests mit ihm durchgeführt und so hat es schlussendlich gepasst. Wir geben ihm für ein Jahr die Möglichkeit sich zu entfalten und sich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sparen wir sehr viel Gehalt am zweiten Fahrer. Für SCMM ist das also eine Win-Win Situation.“

Hinterfragt man die Strategie, welche SCMM mit dem Neuzugang verfolgt macht die Verpflichtung Rustemeiers aber durchaus Sinn. Der Deutsche gehört zu den wohl Marktgünstigsten Piloten im Preis-Leistungsverhältnis. Zudem will der Rennstall wie von Gaggiano aufgeführt vor allem vorhandene Gelder in die Autoqualität für die nächste Saison stecken. Hinzu kommt, dass Rustemeier gerade bei entsprechendem Trainingspensum eine ordentliche Pace an den Tag legt. Probleme hatte der Rookie in der Vergangenheit jedoch vor allem mit den eigenen Nerven und damit der Konstanz bei den Longruns. Nicht selten fiel er in der D2 durch einen frühen Zwischenfall im Rennen erst einmal wieder zurück. Diese Schwächen gilt es nun weiter abzustellen.
Die laute Kritik einiger Kontrahenten und Beobachter hält Gaggiano daher dennoch für übertrieben. „(…) Es gab Leute die haben weit unter die Gürtellinie geschlagen. Egal um wen es geht, sowas macht man nicht und ist absolut respektlos.“ sagte der Italiener.
So oder so wird der italienische Rennstall mit einem gewagten Experiment in die Saison 2022 gehen. Man darf gespannt abwarten ob der Teamchef dabei selbst ins Lenkrad greift. Zu beobachten bleibt ob die nachhaltige Strategie Gaggianos am Ende aufgeht oder ob man sich letztlich doch verpokert. Für Dominic Rustemeier zumindest, ist es die Möglichkeit an einer großen Aufgabe zu wachsen und die Entwicklungsversäumnisse der laufenden Saison nachzuholen. Oder letztlich daran zu scheitern.
Autor: Julian Kopp